Erinnerung an Joey Deutsch
Im Januar musste sich einer der Leipziger Go-Spieler auf Dauer von
uns verabschieden. Joey stieß 2017 zu uns und war sofort von Go
begeistert. Er hatte vorher schon eine beachtliche Spielstärke im
Schach erreicht und suchte nach neuen Herausforderungen. In den nur 2
Jahren, in denen er Go gespielt hat, hat er es bis zum siebten Kyu
geschafft. Danach hat er sich zwar von Bridge anstecken lassen, aber
ich konnte ihn trotzdem fast jede Woche beim
Uni-Go-/Bridge-/Schachkurs treffen, so dass der Kontakt nicht
abgerissen ist. Als Diplom-Mathematiker war es für ihn natürlich sich
mit allen 3 Spielen intensiv zu beschäftigen und sich auch für die
theoretischen Hintergründe der Spiele zu interessieren. Joey hatte
mehr Bücher über Schach in seinem Bücherregal stehen als manch
anderer insgesamt an Büchern besitzt. Als ich angeboten hatte einen
Vortrag über die theoretischen Grundlagen des Endspiels beim Go zu
halten, war Joey der einzige der begeistert war, obwohl er zu diesem
Zeitpunkt schon seine ganze Kraft dem Bridge gewidmet hatte.
Aber man sollte sich Joey nicht vorstellen als jemanden, der komplett
auf Brett- und Kartenspiele fixiert war. Zu seinen vielen anderen
Hobbies zählten auch Musik, Malerei, League of Legends, Oper und die
chinesische Sprache. Da er scheinbar trotzdem nicht ausgelastet war,
studierte er während seines Mathematikstudiums parallel ein paar
Semester Medizin, was ihm sicher bei seiner Doktorarbeit am Institut
für medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie zugute
gekommen ist.
Er war immer zum Lachen aufgelegt - kein erzwungenes, falsches
Lachen, sondern ein ehrliches, herzhaftes. Als ich ihm zum Thema
künstliche Intelligenz ein Ohr abgekaut hab, hat er als einer von
wenigen nicht desinteressiert und gelangweilt gewirkt, tatsächlich
haben wir noch vor 3 Monaten über seine Pläne eine KI für Bridge zu
bauen gesprochen. In den vergangenen Jahren hatte Joey mir mehrfach
Fragen im Zusammenhang mit diesem Thema gestellt. Sein
Mathematikstudium hat er nicht angefangen, weil ihm nichts besseres
eingefallen ist, er hat sich tatsächlich dafür interessiert und das
meiste Wissen behalten. Wenn ich mich mit ihm über ein
Mathematik-nahes Thema unterhalten hab, konnte ich mich immer darauf
verlassen, dass er meine Erklärungen versteht. Er hat mich nicht
einfach mit glasigen Augen angesehen und genickt, sondern Rückfragen
gestellt, bis die Unklarheiten beseitigt waren. Ich bin vielen Leuten
mit naturwissenschaftlicher Ausbildung begegnet und muss leider
sagen, dass diese Art von Interesse am eigenen Fachgebiet nicht
selbstverständlich ist.
Während mir immer wieder Leute begegnet sind, die unfreiwilligerweise
den Eindruck vermitteln Zombies im Menschenkostüm zu sein, war bei
Joey unmissverständlich klar, dass in ihm ein Mensch gewohnt hat.
Vielleicht wäre er noch unter uns, wenn er innerlich tot gewesen und
ihm seine Umwelt egal gewesen wäre, aber dann wäre er auch nicht mehr
Joey gewesen. Leider sind 1000 Worte in einem Nachruf weniger wert
als ein Wort als es noch möglich war ihm zu helfen.
Ein Nachruf von Daniel Müller